In vielen Medizinsystemen unterschiedlicher Kulturen und Zeitalter wurde versucht, ein Phänomen zu beschreiben, das in jedem lebenden Organismus beobachtet werden kann: es gibt etwas nicht (mit bloßem Auge) Sichtbares, was ein Gleichgewicht herstellt und aufrechterhält – und damit den Unterschied zwischen lebendem Organismus und toter Materie ausmacht. Es wurde als eine Art Energie aufgefasst; im indischen Ayurveda nennt man es Prana, in der traditionellen chinesischen Medizin heißt es Qi, Hahnemann sprach von der Lebenskraft.
Aus Sicht der modernen Wissenschaft ist dieses Konstrukt als veraltet anzusehen. Viele Mechanismen, die ein Gleichgewicht im Organismus herstellen und aufrechterhalten, sind heute bekannt, lassen sich Botenstoffen und Rezeptoren an Zelloberflächen, Nervenimpulsen und Wirkung an Synapsen, Messfühlern und biochemischen Regelkreisen mit Möglichkeiten der Hemmung und Stimulation zuordnen, führen sogar zu Veränderungen der Genetik oder Epigenetik.
Wahrscheinlich ist dieses bisher erworbene Wissen über die Regulation und Steuerung der Lebensvorgänge aber nur ein Bruchteil dessen, was tatsächlich alles an Informationsübertragung und Steuerung in lebenden Organismen stattfindet. Moderne Grundlagenforschung hat zum Beispiel gezeigt, dass der gesamte Körper des Menschen (und anderer Lebewesen) von einem Netzwerk aus Lichtleitungen (ähnlich Glasfaserkabeln) durchzogen ist. Diese mikroskopisch kleinen Strukturen (sogenannte Mikrotubuli) sind schon länger bekannt und beschrieben worden, aber bis vor kurzem wusste niemand, was ihre Funktion ist. Heute wissen wir, dass Licht als Überträgermedium großer Datenmengen in kürzester Zeit dienen kann – nicht nur in technischen Anwendungen, sondern auch in unseren Körpern, und dass besagte Mikrotubuli Lichtleiter zur Übertragung großer Mengen an Information quer durch unseren Organismus in Lichtgeschwindigkeit sind.
Wenn man also unter Lebenskraft nicht ein nebulöses Konstrukt aus dem 18. Jahrhundert versteht, sondern die Gesamtheit aller Regulations- und Steuerungsmechanismen im lebenden Organismus (seien sie im Detail verstanden, erst in Ansätzen erforscht oder noch gar nicht bekannt), sind die Aussagen, die Hahnemann über die Lebenskraft gemacht hat, in eine moderne Sprache übertragbar und ergeben durchaus Sinn. Die Sätze
- ist die Lebenskraft verstimmt, äußert sich das als Krankheit
- gelingt es, die verstimmte Lebenskraft ins Gleichgewicht zu bringen, resultiert daraus wieder Gesundheit
- alles, was Einfluss auf Krankheit und Gesundheit hat, wirkt über die Lebenskraft
sind für heutigen Sprachgebrauch und das zeitgenössische Wissenschaftsverständnis besser verständlich, wenn man sie so formuliert:
- sind Regulations- und Steuerungsmechanismen im Organismus gestört, führt das zu Krankheit
- gelingt es, die Regulation und Steuerung zu normalisieren, werden auch die normalen Stoffwechselprozesse und Organfunktionen wieder hergestellt = Gesundheit
- der Weg, wie der lebende Organismus im positiven wie im negativen beeinflusst werden kann, ist das Eingreifen in Regulations- und Steuerungsmechanismen.
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