Wirksamkeit

Der Homöopathie wird sehr häufig vorgeworfen, dass sie unwirksam sei. Aber ist diese Aussage wissenschaftlich betrachtet wirklich schlüssig?

Es gibt nicht die Medizin, sondern wissenschaftlich betrachtet unterschiedliche Medizinsysteme. Das in der westlichen Zivilisation des 21. Jahrhunderts vorherrschende Medizinsystem ist die Schulmedizin. Wie in jedem Wissenschaftssystem werden auch in der Schulmedizin Regeln und Bedingungen definiert, Kriterien als Grundlage für Entscheidungen festgelegt. Eine dieser Regeln ist: nur was mess- und beweisbar (evidenzbasiert) ist, darf als theoretische Grundlage anerkannt und therapeutisches Entscheidungskriterium verwendet werden. In Bezug auf die Therapie mit Arzneisubstanzen gilt als Grundbedingung die Dosis-Wirkungs-Beziehung. Unter dieser Voraussetzung hat sich die randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie als ideales Messinstrument herausgestellt. Damit ist es nicht gelungen, eine Wirksamkeit homöopathischer Arzneien zu zeigen, woraus die Schlussfolgerung gezogen wird, dass die Homöopathie unwirksam sei.

Was wäre aber, wenn diese Schlussfolgerungen unter falschen Voraussetzungen entstanden ist. In der Schulmedizin werden stofflich messbare Substanzmengen verwendet. Hier gilt die Dosis-Wirkungs-Beziehung. In der Homöopathie werden Arzneien verwendet, die keine messbare Menge der Arzneistoffe mehr enthalten. Gilt trotzdem der Grundsatz der Dosis-Wirkungsbeziehung? Oder ändern sich die Bedingungen grundlegend, wenn man den stofflichen Bereich verlässt?

Diese Frage ist noch nicht ausgiebig erforscht. Die Forschung, die es gibt, deutet darauf hin, dass beim Vorgang der Potenzierung zwar einerseits die Substanz „verloren geht“, andererseits aber Informationen der Ausgangssubstanz auf das Verdünnungsmedium übertragen werden. Daraus lässt sich ableiten, dass ein möglicher Erklärungsansatz der Homöopathie ist, dass die so extrahierte und gespeichterte Information bei der Anwendung den Organismus informiert und dadurch Regulations- und Steuerungsmechanismen beeinflusst, insofern durchaus in der Lage sein kann, Impulse zur Wiedererlangung des gestörten Gleichgewichts zu geben – wenn auch nicht auf stofflicher Grundlage.

An dieser Stelle ist vielleicht ein Beispiel aus einem anderen Bereich der Naturwissenschaft hilfreich. In der Physik gelang es etwa ab dem 17. Jahrhundert, immer mehr zu beobachtende natürliche Phänomene nicht nur zu erklären, sondern über das Verständnis der Beziehungen zwischen Masse, Energie, Geschwindigkeit und anderen Größen exakte Voraussagen machen zu können, wie sich zum Beispiel Körper im Raum bewegen. Dann beobachtete man Ende des 19. Jahrhunderts Phänomene, die diesen Erkenntnissen widersprachen. Es dauerte eine ganze Weile, bis diese Widersprüche aufgelöst werden konnten. Erst als Einstein die Spezielle Relativitätstheorie formulierte, konnte der Paradigmenwechsel vollzogen werden, dass die vorher als allgemeingültig angenommenen Gesetze der klassischen Mechanik nur unter der Voraussetzung gelten, dass die Geschwindigkeit, mit der sich Körper bewegen, sehr viel kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist.

Dass es es diese Bedingung gibt, war niemandem aufgefallen, bevor man damit anfing, atomare Teilchen auf hohe Geschwindigkeit zu beschleunigen, die sich dann anders verhielten, als man das erwartet hatte. Bis dahin hatte man es nur mit sehr viel niedrigeren Geschwindigkeiten zu tun gehabt, bei denen relativistische Effekte eben nicht ins Gewicht fallen.

Ähnlich verhält es sich bei der Frage der Beziehung zwischen Substanz und Wirkung: solange nur der gewohnte Bereich der messbaren Substanzmenge betrachtet wird, gilt die Dosis-Wirkungs-Beziehung; je näher man jedoch der Grenze (null Substanz) kommt, desto mehr spielen andere Effekte eine Rolle. Nur ist dieser Paradigmenwechsel, den die Physik Anfang des 20. Jahrhunderts geschafft und damit ihre Möglichkeiten erheblich erweitert und revolutionäre Erkennnisse ermöglicht hat, in der Medizin noch nicht vollzogen.

Voraussetzung hierfür wäre naturwissenschaftliche Grundlagenforschung, die ergebnisoffen versucht zu erklären, was in der homöopathischen Praxis seit mehr als 200 Jahren täglich tausendfach zu beobachten ist; Forschung, die vorurteilsfrei die theoretischen Grundlagen hinter diesen Phänomenen ans Licht bringt; Forschung, die es wagt, bisheriges Wissen in Frage zu stellen, damit aber möglicherweise auch Grenzen sprengt.

In Anlehnung an die eingangs gestellte Frage, ob Homöopathie wirklich als unwirksam zu betrachten sei, möchte ich – nach all dem eben Gesagten – die Frage noch einmal neu stellen: kann man aus wissenschaftlicher Sicht den Schluss ziehen, dass Homöopathie unwirksam ist? Die Antwort ist „ja“, wenn man Wissenschaft auf den Teil begrenzt, den die Schulmedizin heute definiert. Wenn man aber den Horizont weitet und andere Wissenschaftsbereiche wie die Physik mit einbezieht, muss die Antwort „nein“ lauten.

Letztlich müssen alle, Homöopathiebefürworter*innen wie -gegner*innen, es aushalten, dass wir nicht beweisen können, ob – und wenn ja, wie – Homöopathie funktioniert. Umgekehrt ist es unwissenschaftlich, zu behaupten, alles sei nur Einbildung.

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